Von Moritz Gross

Mein Forschungsaufenthalt an der Yale University

Im Rahmen des „Rising Star Research Exchange“ Programms der Yale School of Medicine und der Charité Universitätsmedizin Berlin wurde es mir ermöglicht, mich ein Jahr lang sehr intensiv mit Radiologie, Grundlagenforschung und Forschung auf dem Gebiet des maschinellen Lernens zu beschäftigen. Dabei lernte ich im Selbststudium, wie man Deep-Learning-Workstations benutzt, mit Python-Programmen und mathematischen Python-Bibliotheken umgeht sowie Techniken des maschinellen Lernens für Forschungsprojekte anwendet.

Auf den einjährigen Forschungsaustausch wurde ich durch eine Anzeige auf der Internetseite der Klinik für Radiologie der Charité aufmerksam. Für die Bewerbung reichte ich ein Motivationsschreiben, meinen Lebenslauf und einen Nachweis meiner Studienleistungen ein und wurde kurz darauf zu einem Auswahlgespräch eingeladen. In der zweiten Runde des Auswahlverfahrens wurde ich zu einer sogenannten "Paper Challenge“ eingeladen, bei der ich innerhalb einer Woche wegweisende Publikationen aus dem Bereich der interventionellen Onkologie sowie Arbeiten des Yale Interventional Oncology Research Labs in englischer Sprache zusammenfassen musste. Diese Aufgabe ermöglichte es mir, mich strukturiert mit den Forschungsinhalten auseinanderzusetzen und meine Englischkenntnisse unter Beweis zu stellen. Nach der erfolgreichen Aufnahme in das Programm absolvierte ich eine Famulatur an der Charité in der interventionellen Radiologie unter der Betreuung von Prof. Dr. Gebauer, um mich auf meine Forschungsarbeit vorzubereiten. Finanzielle Unterstützung für meinen Auslandsaufenthalt erhielt ich durch ein großzügiges Promotionsreisestipendium der Rolf W. Günther Stiftung für Radiologische Wissenschaften.

Teamwork Makes the Dream Work

Moritz Gross, Charité - Universitätsmedizin BerlinVom ersten Tag an war es mir sehr wichtig, mich in das diverse, internationale und interdisziplinäre Team zu integrieren. Dies ermöglichte es mir schnell, neue Freundschaften zu schließen und anhaltende Netzwerke zu knüpfen sowie mich an den Projekten meiner Kolleg:innen zu beteiligen. Ich engagierte mich insbesondere durch die Organisation wöchentlicher Laborbesprechungen und Treffen mit Kollaborationspartner:innen und Ärzt:innen der Yale School of Medicine für unsere Forschungsprojekte.
Meine Zeit an der Yale University wurde wissenschaftlich und methodisch sehr von meinen beiden Mentoren Dr. med. Julius Chapiro und Dr. John Onofrey geprägt. Dr. Chapiro übernahm hierbei meine klinische Betreuung und Dr. Onofrey, als Biomedical Engineer, die technisch-methodische Betreuung meiner Projekte.
Im zweiten Halbjahr meines Aufenthalts fungierte ich als Mentor für die neue Generation von Studierenden. Auch während der weltweiten Corona-Virus-Pandemie, die unseren persönlichen Laborzugang deutlich erschwerte, gelang es uns im Team stets positiv zu bleiben und lösungsorientiert an unseren Aufgaben zu arbeiten und kontinuierlich zu lernen.

Während meines Aufenthalts – Pre-COVID Times

Moritz Gross, Charité - Universitätsmedizin BerlinWährend meines Aufenthalts arbeitete ich täglich bis zu 12 Stunden und ging auch meistens am Wochenende ins Lab. Die Motivation und Arbeitsmoral aller meiner Kolleg:innen im Lab war sehr hoch, sodass es mir nicht schwer fiel mich für diese intensive Arbeitsweise zu motivieren. Außerdem sorgten die abwechslungsreichen Aufgabenbereiche dafür, dass sich jeder Arbeitstag sehr vielseitig gestaltete.
Nach der Arbeit im Lab haben wir als Team gemeinsam viel unternommen. Auch dies sorgte für noch mehr Teamgeist und Zusammenhalt. So gingen wir häufig ins Payne Whitney Gym – das Fitnessstudio von Yale, in dem man jede erdenkliche Sportart betreiben kann – und spielten dort Squash oder Basketball. An den Wochenenden machten wir gelegentlich Tagesausflüge nach New York City und Boston und genossen die unzähligen Möglichkeiten, die diese Städte uns zu bieten hatten.

Während meines Aufenthalts – COVID Times

Die weltweite Corona-Virus-Pandemie erschwerte uns die Forschungsarbeit deutlich. Während die meisten internationalen Studierenden zu Anfang der Pandemie zurück in ihre Heimat reisten, beschlossen wir uns dazu, in den USA zu bleiben und unsere Projekte fortzuführen. Dies war keineswegs eine einfache Entscheidung und wir haben persönlich viel investiert. Ich bin jedoch nach wie vor überzeugt, dass wir alle die richtige Entscheidung getroffen haben.
In dieser Zeit unterstützen wir uns gegenseitig und gingen als Team gemeinsam durch diese Krisenzeit und konnten so sicherstellen, dass unsere Projekte trotz der erschwerten Bedingungen fertiggestellt wurden. Ohne den außergewöhnlichen Zusammenhalt und Teamgeist hätten wir diese Zeit nicht ansatzweise so gut meistern können. Nach der Arbeit trafen wir uns für gemeinsame Spaziergänge und machten im Sommer gemeinsame Wandertrips in der Umgebung und in den White Mountains in New Hampshire.
Diese Zeit war auch in den USA gesellschaftlich sehr intensiv, aufgeladen und angespannt. So verloren tragischerweise viele Menschen ihre Arbeitsplätze und damit auch ihr Lebenseinkommen und ihre Krankenversicherung. Außerdem passierten kurz nach dem Beginn der Pandemie und des landesweiten Lockdowns die Todesfälle von Breonna Taylor und George Floyd, welche das ganze Land erschütterten und in Wut und Trauer versetzten.
Darüber hinaus begann im Sommer die Hochphase des US-amerikanischen Wahlkampfes, welche das Land unglaublich polarisierte und zur aufgeladenen Stimmung noch weiter beitrug.

Forschungsprojekte

Während meiner Zeit in Yale habe ich im Selbststudium die Programmiersprachen Python und R gelernt sowie Fachkenntnisse auf dem Bereich des maschinellen Lernens erlangt. Überdies nahm ich im Laufe des Jahres an vielen verschiedenen und multidisziplinären Journal Clubs teil und hatte die Möglichkeit, ein Annual Meeting der Radiological Society of North America (RSNA) in Chicago zu besuchen.

Der Fokus meiner Projektarbeit lag zunächst auf der Erstellung einer Datenbank, welche sämtliche Patient:innen mit hepatozellulärem Karzinom führt, die in den letzten 10 Jahren im Universitätsklinikum der Yale Universität behandelt wurden. Diese durch ein Ethikvotum genehmigte Datenbank führt detaillierte klinische Daten, Laborparameter und MRT Bilder und schafft damit eine wichtige Grundlage für viele klinische und radiologische Analysen sowie für die Entwicklung von Algorithmen des maschinellen Lernens, welche viele kommende Publikationen mit sich bringen wird. Auf Grundlage dieser Datenbank entwickelte ich zusammen mit meinen Betreuern einen Deep-Learning-Algorithmus zur automatisierten Leber-Segmentierung in MRT-Bildern. Für klinische Analysen bietet dieser Algorithmus die Möglichkeit, das Lebervolumen für die Therapie- oder Operationsplanung zu quantifizieren. Darüber hinaus können die Segmentierungen genutzt werden, um quantitative bildbasierte Biomarker aus den MRT-Daten zu extrahieren (z.B. Radiomics-Analysen), um Lebertumoren besser charakterisieren zu können und somit Vorhersagen über Behandlungserfolge zu ermöglichen. Im Bereich der Grundlagenforschung half ich bei Tierexperimenten zur Entwicklung von quantitativen MRT-Biomarkern des Immunsystems in einem Mausmodell.

Wie es weitergeht

Im Rahmen meines Forschungsaufenthalts bewarb ich mich außerdem erfolgreich auf einen Platz im Advanced-Track MD/PhD an der Charité. Dieses Programm ermöglicht es mir nun, meine Promotion neben dem Dr. med. auf einen international anerkannten PhD-Titel auszuweiten. Außerdem kann ich als Research Affiliate an der Yale Universität meine Forschungsarbeit mit meinen Mentoren auch nach meiner Rückkehr nach Deutschland fortführen.

Mein Fazit

Ich bin von technischen Innovationen fasziniert und denke, dass diese in den kommenden Jahren das Berufsbild der Medizin und insbesondere der Radiologie stark verändern und revolutionieren werden. Deswegen finde ich es besonders wichtig, mich persönlich mit Technik auseinanderzusetzen und unterschiedliche Tools kennenzulernen und zu entwickeln, um das Leben und den Behandlungsausgang meiner späteren Patient:innen verbessern zu können.

Meine individuelle Auslandserfahrung und der Forschungsaufenthalt haben mich nachhaltig geprägt und mir sehr geholfen, meinen persönlichen Horizont zu erweitern und selbstständiger und selbstbewusster zu werden. Darüber hinaus sehe ich den Aufenthalt in Yale als eine einzigartige Chance, einen wichtigen Grundstein für meine akademische Karriere in der Radiologie gelegt zu haben und mein Netzwerk an Kontakten für zukünftige Forschungsprojekte zu nutzen.

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