Forschungsaufenthalt in den USA

Das Berlin-Boston Research Exchange Program und das Berlin-Baltimore-Projekt haben eines gemeinsam: Beide wurden auf private Initiativen ins Leben gerufen und von jungen Ärzten gestartet, die einst selbst Kontakte geknüpft und positive Erfahrungen gemacht haben. Von den aufgebauten Strukturen können nun auch andere profitieren.

von PD Dr. Diane Renz, 25.11.2014

Austauschprogramm ans Massachusetts General Hospital, Boston

Alles begann mit einer arbeitsreichen Nacht in einem Labor am Massachusetts General Hospital (MGH) in Boston, U.S.A im Jahre 2006. Im Rahmen ihrer gastroenterologisch ausgerichteten Doktorarbeiten beaufsichtigen Piet Habbel und Johannes Nowak ihre Experimente auch nachts. Hierbei lernten die beiden damaligen Medizinstudenten der Charité Berlin Herrn Prof. Dr. Leo L. Cheng, Leiter eines radiologisch-pathologischen Labors am MGH, zufällig kennen. Das MGH ist übrigens das älteste und größte Lehrkrankenhaus der Harvard Medical School. Prof. Cheng war vom Engagement der beiden deutschen Studenten beeindruckt und bot ihnen zunächst einen Raum mit einem Sofa an, auf dem sie sich nachts ausruhen konnten. Aus diesem ersten Kennenlernen und gegenseitiger Sympathie entwickelte sich ein Forschungsaustausch für Berliner Medizinstudenten/-innen: Das „Berlin-Boston Research Exchange Program“ war geboren. Zurück in Berlin fanden Piet Habbel und Johannes Nowak in Herrn Prof. Dr. Dipl.-Phys. Matthias Taupitz, Leiter der Arbeitsgruppe Experimentelle Radiologie an der Charité und Campusmanager der Radiologie am Campus Benjamin Franklin, einen kompetenten und hilfsbereiten Unterstützer sowie Mitorganisator auf deutscher Seite, der unter anderem die aus dem Programm hervorgehenden Doktorarbeiten betreut.

Im Rahmen des Austauschprogramms können jeweils zwei Medizinstudenten im Labor von Herrn Prof. Cheng – inoffiziell auch „Cheng Lab“ genannt – für ein halbes Jahr forschen. Schwerpunkte der dort durchgeführten Studien sind unter anderem die Magnetresonanz (MR)-Spektroskopie an Prostata- und Brusttumoren; dafür stehen der Arbeitsgruppe hochauflösende MR-Spektrometer bis 14 Tesla zur Verfügung. Bewerben können sich Berliner Studenten der Human- und Zahnmedizin bei Dr. Johannes Nowak und Dr. Piet Habbel, der mittlerweile in der Klinik für Onkologie und Hämatologie der Charité tätig ist. Nach dem Wechsel von Dr. Nowak an das Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Würzburg (Direktor: Prof. Dr. Thorsten Bley) wurde das Austauschprogramm auch auf Würzburger Medizinstudenten erweitert; die Betreuung hervorgehender Promotionsarbeiten in Würzburg wurde von Herrn Prof. Bley freundlicherweise angeboten und auch schon begonnen. Detaillierte Informationen über das Programm und die Bewerbungsmodalitäten sind auf der Internetseite www.berlinboston.com zusammengestellt.

Dr. Habbel und Dr. Nowak sichten die Berliner und Würzburger Bewerber für den Forschungsaufenthalt und stehen als Ansprechpartner zur Verfügung. „Bei der Auswahl der Studenten zählen für uns nicht nur die fachlichen Qualifikationen, sondern auch die persönliche Eignung für das Team von Prof. Cheng“, berichtet Dr. Nowak. Im Rahmen des Austauschprojektes übernimmt das amerikanische Labor für einen Austauschstudenten die Kosten für den Hin- und Rückflug in die U.S.A. sowie die Teilnahme an wissenschaftlichen Kongressen, etwa der jährlich stattfindenden ISMRM („International Society for Magnetic Resonance in Medicine“). Spezielle Gebühren in den U.S.A. fallen für die Studenten nicht an. „Da die Lebenshaltungskosten in Boston höher als in Deutschland sind, ist es trotzdem wichtig, sich vorab um eine finanzielle Unterstützung, etwa im Rahmen eines Stipendiums, zu kümmern, um die Finanzierung des Aufenthalts zu sichern“, sagt Dr. Nowak. Um eine Unterkunft brauchen sich die Austauschstudenten jedoch nicht zu kümmern; seit 2007 steht in Boston eine möblierte Wohnung zur Verfügung, die jeweils an nachfolgende Studenten weitergegeben wird.

Mehr als 20 Studenten haben inzwischen an dem Forschungsaustausch teilgenommen; mehrere radiologische Publikationen und Doktorarbeiten sind entstanden. Dr. Nowak warnt jedoch vor einem Selbstläufer: „Das wissenschaftliche Output hängt auch von der eigenen Motivation, dem Durchhaltevermögen und natürlich etwas Glück ab.“ Eine Garantie für eine Promotionsarbeit möchten und können Dr. Nowak und Dr. Habbel daher nicht geben. „Es kann durchaus passieren, dass die in Boston durchgeführten Experimente nicht umfassend gelingen und die Daten am Ende nicht für eine Doktorarbeit ausreichen“, so Dr. Nowak. „Wir möchten keine falschen Versprechungen geben, sondern die Studenten realistisch beraten und unterstützen.“

Das Programm ist ausdrücklich nicht an eine Doktorarbeit gebunden und kann sehr gut auch als ergänzende Forschungserfahrung zu einer Promotion in Deutschland genutzt werden. Letztlich kehren alle Teilnehmer mit zahlreichen Erlebnissen und neuen Erfahrungen von ihrem Aufenthalt in Boston zurück. Für den erfolgreichen Abschluss einer Promotion unterstreicht Prof. Taupitz die Notwendigkeit des eigenen Engagements: „Wie gut und wie zügig die Promotion fertig gestellt wird, hängt von den einzelnen Medizinstudenten ab und variiert durchaus.“ Das Verfassen ihrer Doktorarbeit, die auf den in Boston erhobenen Daten basiert, erledigen die Studenten in der Regel nach ihrem Auslandsaufenthalt. „Um die Zeit in den U.S.A. möglichst effektiv zu nutzen, ist es sinnvoll, sich bereits im Vorfeld in das Forschungsthema einzuarbeiten“, erklärt Prof. Taupitz, der insgesamt mit der Qualität der aus dem Projekt entstandenen Promotionen sehr zufrieden ist.

Austauschprogramm ans Johns Hopkins Hospital, Baltimore

Wie wichtig die eigene Motivation für einen erfolgreichen Forschungsaufenthalt in den U.S.A. ist, unterstreicht ausdrücklich Dr. Julius Chapiro, Arzt in der Radiologie der Berliner Charité. Nach seinem Medizinstudium war er zwei Jahre lang Postdoktorand („Postdoc“) im Team von Herrn Prof. Dr. Jean-Francois Geschwind, Leiter der Vaskulären und Interventionellen Radiologie am renommierten Johns Hopkins Hospital in Baltimore, U.S.A. Den Aufenthalt hat er selbst organisiert, nachdem er im 2011 in München einen Vortrag von Prof. Geschwind über die Zukunft der Interventionellen Onkologie gehört hatte. Dr. Chapiro gibt daher den Tipp, sich durchaus zu trauen, einen Professor oder eine Professorin direkt zu kontaktieren: „In den U.S.A. genießen deutsche Medizinstudenten und Postdocs insgesamt einen sehr guten Ruf und Initiativbewerbungen sind willkommen.“ Seinen zweijährigen Aufenthalt hat Dr. Chapiro hervorragend genutzt; einer seiner Forschungsschwerpunkte in den U.S.A. war es, neue bildbasierte Kriterien für die Bewertung des Ansprechens von Lebertumoren nach lokaler Therapie (Chemo- oder Radioembolisation) von der Theorie in die Praxis umzusetzen. Den Großteil seiner Ergebnisse hat er inzwischen veröffentlicht, unter anderem in der renommierten Fachzeitschrift „Radiology“. „Der Anfang in den U.S.A. kann durchaus schwer und die Arbeitsbedingungen und das Umfeld ungewohnt sein. Man sollte sich aber auf keinen Fall entmutigen lassen“, berichtet Dr. Chapiro. Er selbst stand in den ersten drei Monaten vor der Aufgabe, drei Übersichtsarbeiten und zwei Buchkapitel zu verfassen. Am Anfang war er durchaus irritiert, aber nach erfolgreicher Bewältigung stolz und froh über die intensive Einarbeitung in das Forschungsthema, die – nicht ganz freiwillig – sehr rasch erfolgte.

Auch Dr. Julius Chapiro gibt seine Kontakte und Erfahrungen ebenfalls nun an interessierte Medizinstudenten weiter. Zusammen mit Herrn Prof. Dr. Bernhard Gebauer, Leiter der Interventionellen Radiologie und Campusmanager der Radiologie am Campus Virchow, hat er daher einen Forschungsaustausch nach Baltimore ins Leben gerufen. Berliner Medizinstudenten können im Rahmen des Projektes in der Arbeitsgruppe von Prof. Geschwind für fünf bis sechs Monate forschen; Prof. Gebauer übernimmt die Betreuung der radiologischen Promotionen von deutscher Seite. Auch hier fallen keine Extragebühren für die Medizinstudenten an; eine finanzielle Unterstützung erhalten sie durch ein Reisestipendium der „Rolf W. Günther Stiftung“. Bisher haben vier Doktoranden das Angebot genutzt, alle vier erhielten durch ihren Forschungsaufenthalt eine Erstautorenschaft und weitere Ko-Autorenschaften in wissenschaftlichen Zeitschriften. Weitere Austauschstudenten stehen bereit. „Das Austauschprojekt ist auch ideal dazu geeignet, in die amerikanische Arbeits- und Forschungswelt zu schnuppern“, erklärt Dr. Chapiro. Er ist glücklich, seine Kontakte und Erfahrungen weitergeben zu können und formuliert als Resümee: „Jüngere Kollegen zu unterstützten und ihnen einen unvergesslichen Forschungsaufenthalt im Ausland zu ermöglichen, kommt als Zufriedenheit zu einem selbst zurück.“

WEITERE INFORMATIONEN

Berlin-Boston Research Exchange Program:

www.berlinboston.com

Ansprechpartner:
Dr. Piet Habbel, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie, Charité Berlin (E-mail: Piet@berlinboston.com);
Dr. Johannes Nowak, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Würzburg (E-mail: Johannes@berlinboston.com)

Berlin-Baltimore Projekt:

http://www.hopkinsmedicine.org/vascular/IRC Reseach/Geschwind Lab/

http://medizinernachwuchs.de/chancen-im-ausland/2014/05/forschungsaufenthalt-in-den-usa-radiologie

Ansprechpartner:
Dr. Julius Chapiro, Klinik für Strahlenheilkunde, Charité Campus Virchow (E-mail: julius.chapiro@charite.de)