„Keine Momententscheidung“

Dr. Thomas Bloch ist niedergelassener Radiologe in Bad Honnef, er praktiziert in einer radiologisch-nuklearmedizinischen Gemeinschaftspraxis mit insgesamt neun Kolleginnen und Kollegen. Das Thema Niederlassung oder Krankenhaus werde naturgemäß in der Weiterbildungszeit im Krankenhaus nicht thematisiert, obwohl 40 Prozent aller radiologischen Fachärzte in Deutschland in Röntgenpraxen arbeiten, sagt er. 

Herr Dr. Bloch, Sie sind seit 2009 Partner einer Gemeinschaftspraxis für Radiologie und Nuklearmedizin – aus welchem Grund haben Sie sich für die Niederlassung entschieden? Was macht den besonderen Reiz einer Tätigkeit in der Niederlassung aus?

Der Entschluss in die Niederlassung zu gehen war keine Momententscheidung, sondern hat sich im Laufe der Jahre der Weiterbildung herauskristallisiert. Dabei konnte ich mir lange Zeit sehr gut vorstellen, im Krankenhaus zu bleiben. Das Arbeiten in einem netten Team, Erfahrungsaustausch und Kommunikation untereinander, die räumliche Nähe zu anderen Fachdisziplinen und die Möglichkeiten der Weiterbildung, all das waren eigentlich eher Gründe, den Schritt in die eigene Praxis zu verzögern.

Allerdings wird die konzeptionelle Freiheit des leitenden ärztlichen Personals in den Krankenhäusern zunehmend durch die Verwaltungen eingeschränkt, das betrifft sowohl die Personalplanung als auch Fragen der technischen Ausstattung. Letzten Endes hat das den Ausschlag gegeben.

Welche Unterschiede gibt es zwischen einer Tätigkeit in der Praxis und im Krankenhaus?

Was das Spektrum der ärztlichen Tätigkeit angeht, haben Radiologie und Nuklearmedizin gegenüber vielen anderen Fächern, vor allem den operativen, den Vorteil, dass nahezu sämtliche diagnostischen und therapeutischen Verfahren auch in der Praxis durchgeführt werden können. Ob das dann letzten Endes verwirklichbar ist, hängt im Wesentlichen von der Vernetzung der Praxis im ambulanten und stationären Bereich ab.

Gibt es Unterschiede in Bezug auf die Art der Patienten?

„In der Praxis sind 9 von 10 Untersuchten gesund!“ Ich erinnere mich noch genau daran, wie mir ein Kollege den Unterschied zwischen Radiologie in Klinik und Praxis erläutert hat. Noch vor zwei Jahrzehnten mag das so gewesen sein. Wenn ich aber heute in meiner Praxis am Ende der Woche die Sprechstunden Revue passieren lasse, fallen mir auf Anhieb zahlreiche spannende Fälle ein, die das oben genannte Zitat regelmäßig widerlegen.

Ihre Praxis betreut auch Patienten an Krankenhäusern und unterhält dort auch eigene Standorte. Wie läuft die Kooperation mit dem Krankenhaus ab?

Für die meisten Krankenhäuser der Regelversorgung lohnt sich rein wirtschaftlich die Unterhaltung einer eigenen radiologischen Abteilung nicht. Gründe sind die hohen Ausgaben für Großgeräte und Personal und die eher geringen Untersuchungsfrequenzen. Trotzdem wird insbesondere die moderne Schnittbildgebung zur Diagnostik benötigt, was den Niedergelassenen die Möglichkeit eröffnet, sich als Dienstleister anzubieten. Idealerweise geht man dann auch räumlich zusammen, um Transportwege so gering wie möglich zu halten und auch beispielsweise intensivpflichtigen oder nicht transportfähigen Patienten die erforderliche Untersuchung zu ermöglichen.

Welche Rolle werden Ihrer Meinung niedergelassene Radiologen zukünftig für die Krankenhausversorgung spielen?

Bereits heute spielt die Praxisradiologie eine erhebliche Rolle in der Krankenhausversorgung. Vor dem Hintergrund des weiter zunehmenden Kosten- und Wettbewerbsdrucks, unter dem die Krankenhäuser stehen, werden wohl in Zukunft Ausgliederungen bereits vorhandener radiologischer Abteilungen in Krankenhäusern weiter zu beobachten sein. Darüberhinaus werden wahrscheinlich auch Krankenhäuser, die bisher über keine eigene Radiologie verfügen, verstärkt Kooperationen suchen, damit sie die Anbindung einer radiologischen Praxis als Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb nutzen können.

Wurden Sie in Ihrer Ausbildungs- bzw. in Ihrer Weiterbildungszeit auf die Berufsperspektive „Niederlassung“ vorbereitet? Was könnte man hier gegebenenfalls verbessern?

Weiterbildung ist selbstverständlich zunächst die Vermittlung ärztlicher Fähigkeiten. Rotationen in der Weiterbildung zwischen Krankenhaus und Praxis könnten dem interessierten Weiterzubildenden allerdings einen kompletten und wirklichkeitsgetreuen Blick auf die radiologischen Versorgungsstrukturen bieten. Ich bin aber davon überzeugt, dass dies automatisch kommen wird. Je mehr die niedergelassenen Radiologen sich im stationären Sektor engagieren, umso mehr werden sie auch in die Ausbildung junger Radiologen involviert werden. Unsere Praxis besitzt beispielweise mehrjährige Weiterbildungsermächtigungen auf den Gebieten Radiologie und Nuklearmedizin. Derzeit beschäftigen wir eine Weiterbildungsassistentin.

Braucht man spezielle Eigenschaften oder Fähigkeiten – z.B. „Unternehmergeist“ – um in der Niederlassung erfolgreich zu sein?

Neben dem unabdingbaren und vorauszusetzenden Interesse für das medizinische Fach ist meines Erachtens eine Neigung, sich mit betriebswirtschaftlichen aber auch gesundheitspolitischen Themen auseinanderzusetzen essentiell. Wer ein Unternehmen erfolgreich führen will, muß sich fortwährend Gedanken über die Positionierung des Unternehmens am Markt machen und Strategien entwickeln, diese zu festigen. Dies gilt heutzutage auch für eine radiologische Praxis. Kreativität und Entscheidungsfreudigkeit sollten Charaktereigenschaften eines freiberuflich tätigen Arztes sein.

Welchen Rat haben Sie für junge Radiologen, die vor der Entscheidung stehen, ob sie in die Niederlassung gehen wollen oder nicht?

Vor der Entscheidung steht zunächst die Antwort auf die Frage, was dem Einzelnen wichtig ist. Es existieren heutzutage mannigfaltige Möglichkeiten, sich beruflich zu verwirklichen, ob im Krankenhaus oder in der Praxis. Wird die klassische Freiberuflichkeit angestrebt, wird dies aufgrund der in der Radiologie weit fortgeschrittenen Konzentrationsprozesse im niedergelassenen Bereich fast nur noch in Gemeinschaftspraxen möglich sein. Anders als im Krankenhaus wird man mit den dortigen Kollegen im besten Falle sein restliches Berufsleben teilen. Es ist also unabdingbar, dass die zwischenmenschliche Chemie stimmt.