Bei uns wandern Daten, nicht Patienten

Teleradiologie boomt und bietet viele Vorteile. Sie hilft zum Beispiel Flächenländern trotz Fachärztemangel und geringer Dichte an Krankenhäusern eine qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen. Das Verbundnetzwerk Pomerania in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Vorreiter der Teleradiologie.

Mit frommem Schauder erinnert sich Professor Dr. med. Norbert Hosten an sein Praktisches Jahr in der Radiologie. "Meine Hauptaufgabe bestand im Zusammensuchen der Röntgenbilder. Besonders die Tage vor chirurgischen Visiten waren schlimm. Mit dem Zusammentragen ungezählter Röntgentüten war ich als junger Arzt ganze Nachmittage beschäftigt", berichtet der Leiter des Radiologischen Instituts der Universität Greifswald.

Die Assistenten von Professor Hosten müssen keine Röntgentüten in Kellerarchiven aufspüren. In seiner Klinik gibt es keinen einzigen Röntgenfilm mehr. Alle Daten sind digitalisiert und liegen auf dem geschützten Zentralserver der Uniklinik. Über die großen Befunder-Bildschirme können Professor Hosten und seine Kollegen die Bilddaten aufrufen und auch aus anderen Kliniken Bilder zur Befundung empfangen. "Die konsequente Digitalisierung ist der erste Schritt zur Teleradiologie", so Hosten.

Netzwerk in einem dünn besiedelten Flächenland
Dass gerade Mecklenburg-Vorpommern ein Vorreiter der Teleradiologie ist, ist kein Zufall. Das dünn besiedelte Flächenland hat eine geringe Facharztund Klinikdichte. Hieraus ergibt sich eine wichtige Funktion der Teleradiologie: die Aufrechterhaltung medizinischer Leistungen auch am Wochenende und auch in kleineren Häusern. "In einem kleineren Krankenhaus mit 400 Betten fallen in der Regel 15 CT-Aufnahmen an, die von zwei Radiologen befundet werden. Alles was darüber hinausgeht und am Wochenende oder im Nachtdienst anfällt, wird hier bei uns in der Uniklinik begutachtet. Nach einer telefonischen Konferenz mit dem Zuweiser, in der Regel dem Chirurgen, erhält die MTRA des örtlichen Krankenhauses aus Greifswald die Anweisung für die Art der Aufnahme. Die Daten kommen verschlüsselt per ISDN bei uns an, der Behandler vor Ort erhält von uns die Befunde und kann die Therapie einleiten", erklärt Prof. Hosten.

Faktor Zeit – Schnelle Zweitmeinung vom Neurochirurgen
Gefragt sind die Radiologen auch bei Notfallpatienten mit neurologischen Fragestellungen. Als Beispiel: Ein zwanzigjähriger Motorradfahrer wird nach einem Unfall mit Schädel-Hirn-Trauma in das örtliche Krankenhaus eingeliefert. Ist ein neurochirurgischer Eingriff – je nach Schweregrad eines raumfordernden Hämatoms oder Ödems – indiziert? Diese Frage kann der Radiologe vor Ort nach der Erstellung eines Schädel-CTs mit der Neurochirurgie in Greifswald abklären, der die CT-Aufnahmen teleradiologisch vorliegen. Schnell können die Mediziner über weite Entfernungen hinweg die akut-medizinische Versorgung abstimmen und den Patienten zum Beispiel nach Greifswald in die Uniklinik verlegen.

Teleradiologie im Mammografie-Screening
Die Einführung des Mammografi escreenings stellte das Land Mecklenburg-Vorpommern vor große Herausforderungen. Es mussten genügend Anlaufstellen für die rund 230 000 Frauen geschaffen werden, die alle zwei Jahre eine Einladung zum Screening erhalten. Digitale Mammografie ermöglicht ein landesweit dichtes Netz von Anlaufstellen und kurzen Anfahrtswegen für die Teilnehmerinnen. In der Screening-Einheit Greifswald werden die Befunde ausgewertet und archiviert.

Ein kleines Glossar der Radiologie-IT

DICOM ist die Abkürzung für DIGITAL IMAGING AND COMMUNICATIONS IN MEDICINE und bezeichnet einen Standard für den Informationsaustausch in der Medizin. DICOM stellt sicher, dass Dateien, zum Beispiel digitale Röntgenbilder oder CT-Aufnahmen, auf den Geräten unterschiedlicher Hersteller abgerufen und genutzt werden können. Neben dem Bilddatensatz enthält DICOM auch einheitliche Datenfelder für die Angaben zum Patienten, Befund und Untersuchungsprotokoll.

PACS bedeutet PICTURE ARCHIVING AND COMMUNICATION SYSTEM. PACS-Systeme erlauben das Abspeichern digitaler Befunde auf dem zentralen Serversystem einer Klinik oder einer radiologischen Praxis. Neben den Angaben zum Patienten stehen diese digitalen Bilddaten ohne Trägermedien (Röntgenfi lme) zur Begutachtung und Archivierung zur Verfügung. PACS-Systeme bilden die Basis teleradiologischer Arbeit, da sie auch den elektronischen Transport medizinischer Bildbefunde ermöglichen.

RIS steht für: RADIOLOGIE-INFORMATIONSSYSTEM und ist wie die Krankenhausinformations-Systeme (KIS) für die Organisation ärztlicher Arbeit in einem Krankenhaus oder einer Praxis vonnöten. RIS-Systeme verwalten die Patientenstammdaten, koordinieren die Termine radiologischer Untersuchungen und dienen der Eingabe von Befunden.

TELERADIOLOGIE bedeutet die radiologische Befundung eines Patienten durch einen Radiologen, der nicht vor Ort ist. Die Anforderungen an die Teleradiologie regelt die Röntgenverordnung. Wichtig sind hierbei die verschlüsselte Übertragung der Bilddaten. Zudem muss sichergestellt sein, dass die Aufnahme von einer ausgebildeten medizinisch- technischen Röntgenassistentin durchgeführt wird (MTRA).